Die soziale Demokratie verteidigen und ausbauen – Die soziale Demokratie verteidigen und ausbauen – Den Rechtspopulismus und seine Ursachen bekämpfen

 

Die Aufgabe der Sozialdemokratie muss es sein, den Rechtspopulismus und seine sozialen Ursachen mit aller Konsequenz zu bekämpfen.

Rechtspopulistische Einstellungen in Deutschland hat es immer schon gegeben. Mit dem aggressiven Protest der Pegida-Bewegung gegen die zu uns flüchtenden Menschen ab dem Jahr 2014 und der Entwicklung der AfD zum Sammelbecken und organisatorischen Plattform für Menschen mit rechtspopulistischen Ansichten, ist diese Strömung jedoch als politische Kraft manifest geworden. Die Medien mit ihrer Berichterstattung, aber auch die Wahlerfolge der AfD haben dazu beigetragen, diese Entwicklung im öffentlichen Bewusstsein fest zu verankern.

Die Struktur des Rechtspopulismus

Rechtspopulistische Einstellungen, Programme und Organisationen sind durch drei zentrale Orientierungen charakterisiert: Zu menschenfeindlichen – vor allem fremden-, asyl- und muslimfeindliche – Einstellungen kommen ein tiefes Misstrauen gegen die Demokratie sowie deren Vertreterinnen und Vertreter und eine aggressiv-autoritäre Grundhaltung gegenüber Andersdenkenden. Darüber hinaus sind sie durch Nationalismus und eine Ablehnung der EU gekennzeichnet. Die Gleichstellung von Frauen und nicht heterosexuellen Menschen wird vehement und aggressiv bekämpft. Mit einer Rhetorik der Unterschiede wird zugleich die Gesellschaft gespalten, in „die da oben“ (das sog. politische Establishment) und „wir hier unten“ (der kleine Mann) Mit dem „Wir“ gegen „die Anderen“ (Flüchtlinge, Andersdenkende) sollen ganze Menschengruppen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Untersuchungen verorten den Anteil der Menschen mit rechtspopulistischen Einstellungen seit 2014 bei stabil ca. 20 Prozent der Bevölkerung. Damit sind sie ein wirksames Scharnier zwischen der „Mitte der Gesellschaft“ und den gesellschaftlich noch immer marginalisierten rechtsextremen Orientierungen und Organisationen, deren Ideologie an zentralen Punkten aber in eine ähnliche Richtung geht. Vor allem sind sie aber eine massive Bedrohung für eine solidarische und demokratische Gesellschaft.

 

Die sozialen Ursachen des Rechtspopulismus

Der Hebel für die Entstehung und Verbreitung rechtspopulistischer Einstellungen ist eine Mischung aus realen oder antizipierten sozialen Statusverlustängsten der Menschen und die daraus resultierende schwindende Vertrauen in die Demokratie als eine Regierungsform, die soziale Gerechtigkeit für alle Bürgerinnen und Bürger garantiert. Dieser Mechanismus greift nicht nur bei den schon jetzt sozial „abgehängten“ Teilen der der Bevölkerung, sondern zunehmen auch bei denjenigen, die sich zum Mittelstand in unserer Gesellschaft zählen. Das sind nach einer Forsa-Umfrage ca. 60 Prozent der Bevölkerung. 45 Prozent davon sorgen sich, dass es ihnen zukünftig schlechter gehen wird und 49 Prozent sind der Ansicht, dass es in unserer Gesellschaft ungerecht zugeht.

Und dies sind nicht nur unbegründete Ängste, sondern sie sind – auch wenn nicht alle davon unmittelbar betroffen sind – mit realen Entwicklungen hinterlegt. Eine Studie des DIW zeigt, dass mehr als ein Drittel der Beschäftigten heute nach Kaufkraft ein niedrigeres Einkommen hat als vor 15 Jahren. Mitverantwortlich dafür sind auch steigende Mieten. Zudem arbeiten 7,5 Millionen Menschen in Mini-Jobs, Teilzeit- oder Leiharbeit und damit in ständiger Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes. Aber auch der Kernbereich der Beschäftigung ist von diesen Sorgen nicht frei. Das zeigen konkret z. B. die Fälle „Schlecker“ und „Opel“. Ängste und negative Zukunftserwartungen werden die dazukommenden Verunsicherungen aufgrund der ständig beschworenen negativen aktuellen Folgen der Globalisierung und der vor uns stehende Entwicklung der „Industrie 4.0“ weiter aufgeladen. Diese Sorge um den Erhalt des erreichten Sozialstatus wird noch verstärkt durch die bekannte Wirkung von Hartz IV, das die Betroffenen relativ rasch auf ein niedriges Einkommensniveau abrutschen lässt. Zudem steht die Drohung hoher Verluste an Lebensqualität durch ein sinkendes Rentenniveau – vor allem für Frauen –am Ende der Arbeitsphase. Und nicht zuletzt geht die Schere der ungleichen Beteiligung am steigenden Reichtum unserer Gesellschaft immer weiter auf. Die reichsten 10 Prozent der Gesellschaftaft profitieren zu 27 Prozent daran, die Mitte nur noch zu 9 Prozent und das untere Segment verliert bei diesem Prozess bis zu 8 Prozent.

Einfache Antworten helfen nicht

Aus dem Lager der demokratischen Parteien wird gerne darauf hingewiesen, dass der Erfolg des Rechtspopulismus darin begründet ist, auf nur kompliziert zu lösende Probleme einfache Antworten zu geben. Das ist richtig, aber ebenso eine zu einfache Antwort auf die Ursachen für dessen Erfolg. Angesichts der sozialen Ursachen des Rechtspopulismus ist dies viel zu kurz gegriffen als Erklärung für dessen Anziehungskraft und vor allem als Grundlage für die Entwicklung einer Gegenstrategie.

Mit dem Hinweis auf die mangelnde Lösungskompetenz rechtpopulistischer Konzepte ist noch kein einziger der dahinter stehenden Triebsätze für den Erfolg rechtspopulistischer Parteien entschärft und noch kein einziges der Gefährdungspotentiale für ein tolerantes und soziales Zusammenleben in unserer Gesellschaft eliminiert. Und die Gefährdungspotentiale sind nicht nur oberflächlich, sondern tiefgreifend für den Bestand unserer Demokratie – sie rühren an ihrer zentralen Grundlage.

Menschenfeindliche Einstellungen sind im Kern nichts anderes als scharfe Verteilungs- und Gerechtigkeitskonflikte, die durch historische und psycho-sozialer Vorprägungen zu einem ethnischen Konflikt aufgeladen werden. Sie hängen eng zusammen mit dem erschütterten Vertrauen gegenüber den Mechanismen der Demokratie. Deren zentrale Verheißung besteht nämlich in der Garantie einer gerechten Gesellschaft, in der jeder einen möglichen Zugang zum gesellschaftlichen Reichtum hat und nicht unverschuldet an den Rand der Gesellschaft gedrückt wird. Wird dieses Versprechen brüchig, dann wird auch die Demokratie als Staats- und Gesellschaftsform insgesamt brüchig.

Für die SPD ist deshalb klar, dass nur der konsequente Ausbau der sozialen Demokratie mit funktionierenden sozialen und materiellen Partizipationsmöglichkeiten für Alle das Mittel ist, um dem Rechtspopulismus den Boden zu entziehen.

Verteidigung und Ausbau der sozialen Demokratie – Was heißt das?

Das Hamburger Grundsatzprogramm der SPD definiert die Strukturen einer als soziale Demokratie funktionierenden Gesellschaft: „Soziale Demokratie garantiert nicht nur die bürgerlichen, politischen und kulturellen, sondern gleichermaßen (auch) die sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte aller Menschen. Sie sichert die gleichberechtigte soziale Teilhabe aller durch gesellschaftliche Demokratisierung, vor allem Mitbestimmung, durch den auf Bürgerrechte gestützten vorsorgenden Sozialstaat und eine koordinierte Marktwirtschaft, in der der Vorrang der Demokratie vor den Märkten gewährleistet ist.“

Zentral sind dabei zwei Säulen. Die umfassenden Möglichkeiten der politischen Partizipation auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft – nicht nur bei Wahlen – und die soziale Absicherung der politischen Partizipation durch die Inklusion aller Menschen in die Gesellschaft.

Deshalb müssen umfassende Partizipationsmöglichkeiten bei allen Entscheidungsprozessen (von der Schule über das Stadtquartier bis hin zu den Betrieben) etabliert und auf Anregung der Betroffenen auch erweitert oder verändert werden. Damit können viele Entscheidungen staatlicher und wirtschaftlicher Institutionen von den Betroffenen aktuell und zeitnah in einem demokratischen Prozess mitgetragen werden. Diese gemeinsame Verantwortung für die Entwicklung der Gesellschaft führt zur besseren Verankerung der Vorteile der Demokratie in den Köpfen der Menschen und zu mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Die politische Partizipation hat jedoch zur Voraussetzung, dass sich alle Bürgerinnen und Bürger frei und unbefangen von aktuellen sozialen Ausgrenzungen und Zukunftsängsten daran beteiligen können. Wir brauchen also flankierend auch eine soziale und materielle existenzielle Sicherheit, auf die sich jeder und jede verlassen kann.

  • Die Kernvoraussetzung ist die soziale Sicherheit, also eine verlässliche Absicherung in unverschuldeten Notlagen, bei Krankheit, bei Arbeitslosigkeit, im Alter. Notwendig dafür ist eine umfassende, auch die „Hartz-IV-Reformen“ revidierende, Sozialgesetzgebung. Zukünftig müssen die sozialen Sicherungssysteme aber auch an der sich verändernden Arbeitswelt („Arbeit 4.0“, Digitalisierung,) orientiert werden.
    Nicht zu vergessen ist eine Rentenreform, die sich nicht an einem Existenzminimum sondern an der Absicherung eines menschenwürdigen und selbstbestimmten Lebens orientiert.
  • Gute Arbeit ist gleichzeitig auch sichere Arbeit. Absicherung bieten hier Tarifverträge, die von Gewerkschaften ausgehandelt werden, deren Rolle in der Gesellschaft wieder mehr Gewicht bekommen muss. Von Seiten des Staates müssen prekäre Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, Leiharbeit, anlasslose Befristungen usw. abgeschafft werden.
    Die aktuelle Schwäche großer Teile der Gewerkschaften hat u. a. auch zu schwindender Tarifbindung geführt. Deshalb ist zur Absicherung der Löhne der gesetzliche Mindestlohn erforderlich, der ständig der Entwicklung der Tariflöhne angepasst werden muss.
  • Die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmerseite muss gesichert und ausgebaut werden. Als Ergänzung ist ein System der überbetrieblichen Mitbestimmung zu installieren.
    Starke Betriebsräte müssen in den Betrieben für die Sicherheit der Arbeitsplätze, sowie sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sorgen.
  • Sicherheit muss auch die Wohnung bieten. Schutz vor Kündigung und Mieterhöhungen, sichere und bezahlbare Versorgung mit Wärme, Strom, Wasser und Kommunikation sind dafür notwendig. Staatliches Engagement für bezahlbare Wohnungen, Sozialbindung und Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften müssen Mietwucher und Einflüsse von Abschreibungsgesellschaften vermindern.
    Das Gefühl der Sicherheit im Wohnumfeld entsteht auch durch verantwortungsbewusste Nachbarschaften. Gestaltete Wohnviertel und ein effektives Quartiersmanagement fördern dabei die Gemeinschaft.
  • Sicherheit bedeutet aber auch Schutz vor Verbrechen und Terror. Dazu bedarf es einer erheblichen personellen Verstärkung der Polizei und Justiz. Dabei muss besonderer Wert darauf gelegt werden, dass durch Polizeistationen im Lebensumfeld und durch Kontaktbeamte die Verbindung zu den Bürgerinnen und Bürger gehalten wird. Auch die Ausstattung der Polizei darf nicht vernachlässigt werden.

Aber selbst wenn alle Risiken abgesichert sind – falls das möglich ist – wird es immer noch Menschen geben, die vor dem Hintergrund ihrer Sozialisationsbedingungen und psycho-sozialen Prägungen sagen: „Ich habe Angst vor Fremden. – Ich hasse Muslime. – Ausländer raus. – Der „Genderwahn“ gefährdet meine Karriere.“ Zum Abbau dieser Vorurteile und Prägungen brauchen wir ein Bildungssystem, das Unwissenheit über die Wirkung von Vorurteilen und politische Zusammenhänge entgegenwirkt und Schülerinnen und Schüler dazu befähigt ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und an der Lösung persönlicher und gesellschaftlicher Konflikte zu arbeiten. Bildung ist der Schlüssel zur Entwicklung einer solidarischen und demokratischen Gesellschaft.

  • Bildung im Sinn der SPD umfasst dabei den kostenlosen Besuch aller Einrichtungen von der KiTa bis zum Meister, zum Hochschulabschluss und den kostengünstigen Besuch der Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Durch langes gemeinsames Lernen in inklusiven Gesamt- und Ganztagsschulen soll kein Kind zurückgelassen werden.
  • Schon von klein auf müssen Kinder demokratische Verfahren einüben und Solidarität miteinander lernen. Wertschätzung und Achtsamkeit gegenüber anderen Menschen und dem anderen Geschlecht sind weitere zentrale Eigenschaften, die den Umgang in unseren Bildungseinrichtungen prägen sollten.
  • Ergänzt um altersgerechte Wissensvermittlung zum Thema Demokratie und Toleranz müssen Schülerinnen und Schüler sich in die Gestaltung der jeweiligen Einrichtung und der Bildungsgänge durch entsprechende Partizipationsmöglichkeiten einbringen können. Beispiele und Anregungen für erfolgreiche Arbeit in diesem Sinne gibt es bereits.
  • Das Recht auf Weiterbildung in späteren Lebensphasen ist selbstverständlich. Hier müssen entsprechende Konzepte fortgeführt und weiterentwickelt werden. Dabei geht es auch darum, dass Informationen über Partizipationsmöglichkeiten in Beruf und Gesellschaft aufgezeigt und Aktionsmodelle entwickelt und ggf. eingeübt werden.
  • Eine demokratische und auf Partizipation der Lehrenden und Lernenden ausgerichtete Hochschullandschaft bildet die Weiterführung dieser Bildungslandschaft.
  • Zur Umsetzung dieser Ziele sind ergänzende Module in der Ausbildung von Erziehern, Erzieherinnen und Lehrkräften sowie entsprechende Fortbildung der schon im Beruf befindlichen nötig.

Ohne eine lebendige Kultur ist eine lebendige Gesellschaft nicht denkbar. Deshalb müssen wortwörtliche genügend Spielräume für Kulturschaffende aller Nationalitäten vorhanden und nutzbar sein, damit unsere vielfältige und anregende Kulturlandschaft bestehen bleibt, sich weiterentwickeln kann und einen vielfältigen Erlebnisraum bietet. Sie wird auch weiterhin die Wechselbeziehung zwischen Künstlern und Rezipienten die Gesellschaft voranbringen.

 

Die Rolle der SPD

Bei ihrer Politik zu Bekämpfung rechtpopulistischer Einstellungen und der AfD als eine rechtspopulistische Partei muss die SPD alle diese Prämissen in ihrer gesellschaftlichen Zielsetzung berücksichtigen. Nur dann wird es möglich sein, dieser demokratiefeindlichen Strömung langfristig den Boden zu entziehen.
Zugleich muss die SPD jedoch bei den Formen ihrer politischen Arbeit auch das zentrale Element der ständigen Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern für die Bestimmung ihrer aktuellen Politik und ihrer Ziele berücksichtigen. – Der SPD-Stadtverband Göttingen hat z. B. mit VOTe, das den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit bietet, ihre Anregungen und Forderungen in die Ratspolitik einzubringen, hier schon erste Elemente entwickelt. Im Rahmen von Aufarbeitung und Rückmeldung der durch die Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürger entwickelten Handlungsschwerpunkte ergibt sich ein ständiger Dialog. Ähnliche Funktion hatten auch die Programmkonferenzen zur Kommunalwahl.

____________________________________________________________

  • Anlage: Was haben wir schon und was kann bei der Arbeit helfen?
  • Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Göttingen (http://partnerschaft-fuer-demokratie-goettingen.de/) bündelt und bietet Projekte und Initiativen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie im Landkreis.
  • Die neue Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung bietet Infos und organisiert u. a. Projekte zur Demokratiebildung (http://www.demokratie.niedersachsen.de/startseite/).
  • Die Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de) ist eine gute Fundstelle für Materialien und Informationen.
  • du bist anders? (https://www.dubistanders.de) ist eine ansprechend angelegte Online-Ausstellung über das Leben von Kindern und Jugendlichen in der Zeit des Nationalsozialismus, mit deren Hilfe Jugendliche selbstständig an dem Thema arbeiten können.
  • blick nach rechts (de) ist (nach eigenen Aussagen) ein Informationsdienst für alle, die sich gegen den Rechtsextremismus und gegen rechte Gewalt, gegen Neonazis, gegen Rassismus und gegen Antisemitismus stellen.
  • ENDSTATION RECHTS. (http://www.endstation-rechts.de) bietet als Nachrichtenportal über die NPD und Rechtsextremismus aktuelle Informationen und Hintergrundberichte.
  • Storch Heinar – Die Satire Kampagne (http://www.storch-heinar.de) knüpft daran an und bringt u. a. mit dem Slogan “Nazis einen Vogel zeigen“ Informationen mit Spaß unter die Leute.

Weitere Adressen, die nützliche Informationen vermitteln:

AFD Watch (https://afdwatchafd. wordpress.com) – Gesicht zeigen! Gegen Rassismus! (http://www.gesichtzeigen.de)

Die meisten der hier genannten Organisationen sind bei facebook, twitter usw. aktiv und so leicht zu erreichen. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit!